Urteil im Missbrauchskomplex Wermelskirchen und was dann?
14,6 Jahre Haft + Sicherungsverwahrung
Heute fiel im Missbrauchskomplex Wermelskirchen das Urteil im Fall des 45-jährigen IT-Experten aus Wermelskirchen. Über einen Zeitraum von 15 Jahren hat dieser Täter, getarnt als kinderlieber, adretter Babysitter, schwerste sexualisierte Gewalttaten an Kindern begangen, darunter Babys ab einem Alter von 4 Wochen und Kleinkinder. Der Richter bezeichnete ihn als unentdeckten Serientäter.
Einige Mütter waren als Nebenklägerinnen im Gerichtssaal anwesend, andere waren nicht in der Lage, dem Prozess beizuwohnen. Prozessbeteiligte sprechen von brutalsten sexuellen Missbrauchsgeschehen. 26 Stunden Videomaterial mussten ausgewertet werden.
Nach dem Prozess ist es nicht vorbei
Wie geht es weiter, nachdem der Fall juristisch abgearbeitet ist? Wie geht es den Familien? Wie geht es den betroffenen Kindern? Viele sind mittlerweile im jugendlichen Alter und wissen nicht, was ihnen widerfahren ist, da sie zur Tatzeit noch zu klein waren, eine Behinderung haben oder während der Tat betäubt wurden. Werden die Familien adäquat begleitet?
Umfassende Begleitung von Opfern und ihren Familien fehlt heute leider immer noch häufig. Die Zahl der Fälle ist ein Vielfaches größer als die, die der Öffentlichkeit bekannt werden. Nur wenige landen vor Gericht und noch viel weniger enden mit einer Verurteilung. Meist sorgt ausschließlich die Sicherstellung von Bildmaterial für eine ausreichende Beweislast, die zu einer Verurteilung führt.
Die Hilflosigkeit überwinden
Sehr viele Betroffene, ihre Familien und ihr Umfeld müssen mit der Tatsache leben, dass „ihr“ Täter niemals zur Rechenschaft gezogen wird. Und auch wenn eine Verurteilung erfolgt, müssen sie mit den Folgen der Tat leben und weiterleben und die Erschütterungen ihrer Lebenswirklichkeit irgendwie handhaben. Die Auswirkungen solcher Tatgeschehen ziehen weite Kreise und verändern das Leben aller Beteiligter unwiderruflich.
Nun kommen in einem neuen Buch der Autorin Beate Kriechel zum ersten Mal die Menschen im Umfeld von Betroffenen zu Wort: „Missbrauchtes Vertrauen. Wie sich sexualisierte Gewalt in der Kindheit auf Angehörige auswirkt“ verdeutlicht, wie komplex sich die Thematik darstellt und wie blind unsere Gesellschaft im Hinblick auf die Bedürfnisse von Betroffenen und ihren Verbündeten sowie die Strategien von Tätern immer noch ist.
Hinsehen und Informieren
Kinderschutz braucht Menschen, die sich mutig mit schweren Themen auseinandersetzen. Jede und jeder kann ein Stück dazu beitragen, dass Kinder besser vor sexualisierter Gewalt geschützt werden. Wir müssen uns nur trauen, hinzusehen und wahrzunehmen, dass sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche alltägliche Realität ist und nicht fernab unseres Lebensumfeldes passiert. Der Skandal ist nicht nur der eine Fall, über den gerade aktuell die Medien berichten; der Skandal ist der alltäglich stattfindende Missbrauch, der meist unentdeckt bleibt oder nicht als solcher bewertet wird oder nicht bewiesen werden kann oder der wegen Verjährung und anderer Hemmnisse juristisch nicht mehr zählt. Für die betroffenen Kinder und ihr Umfeld zählt er ein Leben lang.
Euer Team Tour41