„Als Mitarbeiterin einer Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt von 2015-2021 und des Traumakompetenzzentrums MV seit 2021 habe ich bestimmt an die 150 EHS-Anträge begleitet. So konnte ich vielfach Zeugin werden, wie schwer es Betroffenen fällt, sich als betroffen zu outen und mit wieviel Dankbarkeit sie beim Erarbeiten der Antragsdaten wahrnehmen, dass sie dabei nicht gezwungen werden, über eigene Grenzen hinaus in die Retraumatisierung zu gehen. Dass es ausreicht einzutragen oder eintragen zu lassen, was eben mitgeteilt werden kann und u.U. auch Klinikberichte ausreichen als Beleg für die erlittene sexualisierte Gewalt.
Ich wurde ebenfalls Zeugin, welch hohe Wirksamkeit die beantragten Maßnahmen entfalten und was es den Betroffenen emotional und mental bedeutet, im Bescheid den sachlichen Satz lesen „es wurde festgestellt, dass Sie Betroffene*r sind und damit Anspruch auf Leistungen aus dem EHS haben“. Vielfach hat dieses respektvolle und selbstbestimmte Vorgehen Klient*innen motiviert, ihr Leben anders in die Hand zu nehmen. Es war in so manchen Fällen – neben dem ganz unmittelbar Hilfreichen – auch ein klein wenig das Wiederherstellen einer verletzten Würde. Genau das brauchen Betroffene und genau das braucht auch unsere Gesellschaft, wenn sie sich der Teilhabe an demokratischen Prozessen versichern und Potential in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens eben nicht verlieren will (und einzig dem Gesundheitssystem anlasten)! Die Qualität im Umgang mit und deren Wirkung auf die Weiterentwicklung von Betroffenen konnte ich nicht in einem einzigen Fall der anderweitig propagierten Entschädigungsverfahren nach OEG beobachten. Wir haben als Gesellschaft in vielen Fällen versagt und weggeschaut, wo wir hätten hinschauen und Kinder und Jugendliche schützen müssen. Das ist bitter, in allererster Linie für die Betroffenen.
Dass das für den Bundeshaushalt teuer ist, sollte motivieren, Schutzkonzepte weiter auszubauen und Betroffene angemessen zu unterstützen. Dabei leisten Aufarbeitungskommission, Betroffenenrat und Nationaler Rat einen wichtigen Beitrag – rücken sie die Thematik doch ins gesellschaftliche Bewusstsein und gestalten Prozesse mit. Für die Betroffenen selbst ist der EHS-Fonds unverzichtbar.“