Christiane fordert mit uns:
 
„Der Fonds sexueller Missbrauch muss erhalten bleiben!“
 
👉 Jetzt Petition unterschreiben: innn.it/missbrauch
 

„Als ich die ersten Gelder aus dem Fonds bewilligt bekam, geschah etwas, was ich nicht erwartet hatte. Auf einmal hatte ich das Gefühl, wirklich in meinem mir widerfahrenen Leid gesehen und anerkannt worden zu sein. Sexueller Missbrauch in der Kindheit ist doch in den allermeisten Fällen damit verbunden, dass das Leid im Verborgenen bleibt und eben nicht gesehen wird. Dieses Gesehen werden, vor allem, weil es gleich die finanzielle Unterstützung zur Linderung des Traumaleids mit im Gepäck hat, hat mir zum Teil dabei geholfen, mit meinem Schicksal in einer Art inneren Frieden zu kommen.

Natürlich kann die Anerkennung des Leids auch auf einem anderen Weg erfolgen, aber eine Anerkennung lindert eben noch nicht das Leid, das eine komplexe Traumatisierung auf allen Ebenen des Menschseins verursacht. Die Linderung des Leids von komplexer Traumatisierung durch Missbrauch, der oft eingebettet ist in einen noch größeren Rahmen der Bindungstraumatisierung, erfordert ein ganz spezielles, therapeutisches Vorgehen. Diese Therapien sind körperorientierte Verfahren wie z.B. Somatical Experiencing. Trauma braucht in erster Linie eine behutsame, therapeutische Begleitung bei der Nachreifung des autonomen Nervensystems auf der Ebene des Körpers. Trauma ist kaum über den Kopf zu erreichen und schon gar nicht zu heilen, zumal der Körper im Prinzip der direkte Zugang zum impliziten Gedächtnis und damit zum Unterbewusstsein eines jeden Menschen ist. Ich habe schon bei so vielen Psychotherapeuten in der Therapie gesessen und dort mehr Retraumatisierung als Traumaintegration erfahren, weil die meisten Psychotherapeuten keine Traumaausbildung haben und dementsprechend nicht traumasensibel arbeiten, was bei mir zu tiefen Gefühlen der Insuffizienz geführt hat. Man geht jahrelang zur Therapie und man erfährt in seinen leidvollen Symptomen auf emotionaler und körperlicher Ebene kaum Linderung. Auch die meisten psychosomatischen Kliniken arbeiten kaum traumasensibel. Das habe ich 2x erfahren. Erst als ich anfing, in eine spezielle, körperorientierte Traumatherapie zu gehen, begann die Nachreifung meines Nervensystems. Diese körperorientierten Traumatherapien werden aber fast ausschließlich nur von Heilpraktikern für Psychotherapie angeboten. Für eine Therapie bei Heilpraktikern für Psychotherapie übernimmt aber keine Krankenkasse oder Beihilfe die Kosten. Anders als Krankenkassen und Beihilfestellen hat man beim Fonds verstanden, dass es vor allem diese speziellen Traumatherapieverfahren sind, die bei Trauma greifen. So verwende ich die Gelder des Fonds hauptsächlich, um mir diese Traumatherapie zu finanzieren. Meine Traumatherapie ist darüber hinaus auch tiergestützt. Allein dieser wunderbare – für Therapie ausgebildete – Hund hat schon so viel Heilung in mir bewirkt. Ich bin sogar jetzt an den Punkt gekommen, wo ich es mir vorstellen kann, selbst so ein wunderbares Wesen im Alltag bei mir zu haben.

Bis vor kurzem konnte ich mir weder zu einem Menschen noch zu einem Tier eine tiefe Bindung vorstellen und hielt alle Menschen und Tiere auf Abstand. Die Kosten für einen Golden-Retriever-Hundewelpen habe ich jetzt auch beim Fonds beantragt. Tiere lieben einfach bedingungslos und bedingungslos geliebt zu werden ist das, wonach sich mein ganzes Wesen sehnt, vor allem dann, wenn die Scham mich – fast täglich – flutet und alles an und in mir in Frage stellt und ich mich dadurch für überhaupt nicht liebenswert halte. Darüber hinaus habe ich auch die Kosten für ein öffentlich-rechtliche Namensänderung beim Fonds beantragt. Ich habe mir den Namen zurückgeholt, den ich die ersten 3 Tage meines Lebens getragen habe, bevor man meinen Eltern und mir nach DDR-Willkür ihren ganz besonderen Wunschnamen für mich verwehrt hat. Meinem Antrag wurde vor kurzem stattgegeben und dies brachte das Gefühl einer Art „Neugeburt“ mit sich, weil ich mich nun dadurch wieder mit mir und meinem unverletzten Wesenskern rückverbinden kann. Ich kann so wieder mit dem Wesen in Kontakt kommen das ich war, bevor auch all‘ die anderen, mich missbrauchenden Übergriffe stattfanden. Tatsächlich empfinde ich die fast gewaltsame Fremdbestimmung über meinen Namen als den ersten Übergriff auf mein Wesen, dem ich auch ohnmächtig ausgeliefert war. Durch die Namensänderung spüre ich auch, dass in mir nun ein gutes Gefühl der Selbstwirksamkeit zum Klingen kommt, da ich mich gegen diesen damaligen amtlichen Übergriff auf mein Wesen zur Wehr gesetzt habe. Mit der Unterstützung des Fonds hat somit eine Art Teil-Wiedergutmachung stattfinden dürfen. Beratungsstellen sind wichtig, können aber keine Therapie ersetzen. Sie können aus meiner Sicht nur Therapien vermitteln. Darüber hinaus entspricht es ja den harten Fakten, dass es bei allen Krankenkassen und Beihilfestellen eine Obergrenze für Therapiesitzungen gibt, die aber bei komplexer Traumatisierung nie ausreichen, da Traumaheilung eine engmaschige und vor allem langjährige Begleitung braucht und sich nur in kleinen Schritten vollzieht und vollziehen kann; andernfalls würde es zu einer Überforderung und damit zu einer Retraumatisierung kommen. Ja, man kann dann den Therapeuten wechseln, um wieder neu ein gewisses Kontingent an Sitzungen zu bekommen, aber die Heilung von komplexem Bindungstrauma ist schwierig, wenn es aufgrund von Kostengründen und Vorschriften immer wieder zu Bindungsabbrüchen kommt.

Ich halte den Fonds auch deshalb für so wichtig, weil er sehr dabei hilft, die erschreckend hohe Dunkelziffer an Missbrauchsfällen sichtbar werden zu lassen, die sicherlich durch die Lockdowns in der Corona-Zeit noch einmal zusätzlich exorbitant angewachsen sind. Allein schon aufgrund der absoluten Notwendigkeit, die Wunden der Corona-Zeit zu heilen, muss der Fonds erhalten bleiben. Als (schon seit Jahren aufgrund meiner komplexen PTBS in den frühen Ruhestand versetze) Sonderschullehrerin halte ich Präventionsarbeit für sehr wichtig. Im Idealfall hätte man pro Schule einen ausgebildeten Traumapädagogen. Die erschreckend hohe Anzahl an Kindern, die sexualisierte Gewalt in ihren Familien erfahren, würde dies absolut rechtfertigen, natürlich auch vor dem Hintergrund, dass es auch immer mehr Kinder mit Flucht- und Kriegstraumatisierung in den Klassen gibt, was den schulischen Rahmen immer mehr zu sprengen droht. Aber selbst, wenn es solche Unterstützung vor Ort gäbe, glaube ich, dass viele Fälle an Missbrauch nicht erkannt werden würden, weil Dissoziationen einfach so stark wirken, dass kaum etwas nach außen dringt. Der Missbrauch von mir ist jedenfalls keinem in Kindergarten und Schule aufgefallen. Diese Traumata treten meist erst sehr viel später zu Tage und dann greift keine Präventionsarbeit mehr, sondern da braucht es dann einfach nur schnelle und umfängliche Hilfe bei der Bewältigung von Traumafolgestörungen.

Ich ordne das Auftreten von sexualisierter Gewalt auch sehr stark in den Kontext von transgenerativem Trauma in Folge der beiden Weltkriege in unserem Land ein. Wenn eine Regierung Gelder zu Verfügung stellt, um die tiefen Wunden des von Generation zu Genration weitergegeben Kriegsleidens zu lindern, erfährt dadurch unser Land auch eine Heilung in seinen historischen, tiefen Wunden. Ich sehe genau diese tiefen Wunden auch als einen Grund an, weshalb die politische und gesellschaftliche Stabilität in unserem Land immer fragiler wird.

Ich bitten inständig darum, den „Fonds für sexuellen Missbrauch“ zu erhalten, um allem voran auch nach dem Maßstab der sozialen Gerechtigkeit zu agieren, denn viele von Missbrauch betroffene Menschen können sich eine trauma-spezifische und oftmals von den Krankenkassen nicht übernommene Trauma-Therapie nicht leisten. Ich appelliere an Ihre Menschlichkeit.